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Falladas letzter Roman
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Falladas letzter Roman

Die wahre Geschichte

2. Auflage | 176 Seiten | 80 Abbildungen | Flexocover | Format: 14,8 x 20,5 cm
ISBN 978-3-941683-10-5
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Beschreibung

Seinen letzten Roman „Jeder stirbt für sich allein“ hat der Autor Hans Fallada nach authentischen Ereignissen und auf der Grundlage von Gestapoakten geschrieben, die Johannes R. Becher ihm in der unmittelbaren Nachkriegszeit hat zukommen lassen.
Manfred Kuhnke hat die wahre Geschichte hinter Falladas Roman, die zu Grunde liegenden Gestapoakten und das Schicksal der realen Personen Elise und Otto Hampel nicht losgelassen. Mit kriminalistischem Gespür erschloss er sich Fakten, befragte Zeitzeugen, verknüpfte alles mit unzähligen Details und setzte immer wieder Tatsachen zum literarischen Text ins Verhältnis. Entstanden ist diese akribisch recherchierte, spannende Geschichte um die Hampels und die Quangels - ein Stück deutscher Zeithistorie.

Autor

Manfred Kuhnke

Manfred Kuhnke, geboren 1934 in Klettwitz (Niederlausitz), hat von 1953 bis 1958 Germanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert, war Lehrer, u.a. am Fremdsprachengymnasium in Burgas (Bulgarien), Gründungsmitglied der Hans-Fallada-Gesellschaft e.V., hat mehrere Studien zu Hans Fallada veröffentlicht und leitete von 1995 – 2004 das Hans-Fallada-Museum in Carwitz.

Presse

„Kuhnke war ein Fallada-Forscher – und ein begnadeter literarischer Spurensucher. Vor 25 Jahren hatte er sich in Berlin auf die Suche nach der Geschichte hinter dem Roman gemacht, auch die Suche nach der Wahrheit hinter den Gestapo-Akten über Otto und Elise Hampel. Auf andere Weise ist sein Buch „Falladas letzter Roman – Die wahre Geschichte“ nicht weniger packend als Falladas Roman – und noch ein wenig trauriger.“
Quelle: Werner von Bebber | Tagesspiegel | 14. Februar 2016
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„Mit Bewegung und mit dem schicksalhaftesten Interesse lese ich in Ihrem Buch über das Schicksal von Otto und Anna Quangel. [...] Es ist aufregend, in Ihrer „Federlese“ die wahren Abläufe zu verfolgen. Die moralische Substanz der Geschichte wird dadurch nur noch zwingender.“
Aus einem Brief Richard von Weizsäckers an den Autor

„Manfred Kuhnke hat in dem vorliegenden Buch die wahre Geschichte, die Hans Fallada in seinem Roman dargestellt hat, erzählt. Basis der Recherchen zu dem Fall sind die Gestapoakten und Zeitzeugen, die Kuhnke aufgesucht und befragt hat. Mit krimlnalistischem Gespür schuf er sich gesicherte Fakten und verglich das Erforschte mit dem von Fallada verarbeiteten Text. So ist eine spannende Geschichte um das tragische Schickal von Otto und Elise Hampel und den Romanfiguren Otto und Anna Quangel entstanden. Ein Stück tragischer deutscher Zeitgeschichte.“
Hans-Gerd Warmann | Stettiner Bürgerbrief 2015

Quelle: Tagespost | 28. Februar 2012 | José Carcia
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Quelle: Tagesspiegel | 04. April 2011.
Die stillen Helden vom Wedding
In England und Amerika ist Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich
allein“ seit einigen Monaten ungeheuer populär. Die Berliner Romanhelden
leisteten Widerstand gegen die Nazis. Die Spuren des Ehepaars sind jetzt
noch zu finden.
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Quelle: Tagesspiegel | 10. April 2011
Allein in Berlin
Sie kämpften gegen Hitler, bewaffnet nur mit Postkarten. Über das Ehepaar
Hampel schrieb Hans Fallada einen Roman, der nun die Welt erobert. Was ist
Wahrheit, was Dichtung?
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Quelle: Berliner Zeitung, Andreas Mix, Magazin | 14. Mai 2011
Das Fallbeil zerschlug auch ihre Ehe
Hans Falladas Roman "Jeder stirbt für sich allein" hat ein wahres Vorbild: die Geschichte von Elise und Otto Hampel, die gegen die Nazis Zettel verteilten
In der Amsterdamer Straße zeigt der Wedding sein buntes Gesicht: Spielhallen, Wettbüros, Minimärkte und Internetcafés säumen die kopfsteingepflasterte Seitenstraße mit den bröckelnden Altbaufassaden nördlich vom Leopoldplatz. Türkische Trödelhändler stellen ihre Waren auf dem Gehweg aus, arabische Friseursalons werben mit bonbonbunten Plakaten. Die Eckkneipe Winzling wirkt wie ein Relikt aus einer Zeit, als der Wedding noch ein Arbeiterbezirk war. Das Haus Nummer 10 an der Kreuzung zur Turiner Straße ist ein Nachkriegsbau aus dem Wiederaufbauprogramm der Fünfzigerjahre. Eine schlichte Tafel erinnert daran, dass hier die Eheleute Elise und Otto Hampel lebten: "Ihre Auflehnung gegen die Menschenverachtung des NS-Regimes war das Vorbild für Hans Falladas Roman 'Jeder stirbt für sich allein'."
Von 1940 bis 1942 verteilten die Hampels mehr als 200Postkarten und Flugzettel mit Aufrufen zum Widerstand gegen das NS-Regime, bis die Gestapo die Eheleute nach einer Denunziation festnehmen konnte. Aus der Geschichte vom mutigen Widerstand Einzelner, der Angst und Denunziation machte der schwerkranke Hans Fallada binnen weniger Wochen im Herbst 1946 einen Roman, dessen Veröffentlichung er nicht mehr erleben sollte. Fallada starb Anfang Februar 1947; "Jeder stirbt für sich allein" erschien drei Monate später im neu gegründeten Aufbau-Verlag. Mehr als sechzig Jahre danach avancierte das Buch zum internationalen Bestseller: In den USA, in England, in Frankreich und sogar in Israel steht es auf den Bestsellerlisten. Auch die deutsche Neuausgabe, die erstmals auf Falladas Typoskript zurückgeht und die politischen Glättungen des Lektors bereinigt, erlebte innerhalb weniger Monate mehrere Auflagen.
Wie konnte ein Ehepaar aus dem Wedding seinen moralischen Kompass bewahren, als das NS-Regime von einem militärischen Sieg zum nächsten eilte und halb Europa beherrschte? Was bewegte die Hampels zum Widerstand? Ihre Herkunft und ihr Lebenslauf lassen sich aus den Ermittlungsakten der Gestapo und des Volksgerichthofs rekonstruieren, die auch Fallada in Teilen für seinen Roman nutzen konnte. Otto Hampel wurde 1897 im Raum Posen geboren. Noch vor dem Ersten Weltkrieg zogen seine Eltern nach Berlin. Die Volksschule verließ er bereits nach drei Jahren, um sich als Hilfsarbeiter zu verdingen, bevor er 1916 als Soldat eingezogen wurde. Nach Kriegsende arbeitete er für die Berliner Verkehrsbetriebe. Im Kabelwerk von Siemens-Schuckert in Gartenfeld fand er 1923, als die Hyperinflation, die Alliierte Rheinlandbesetzung und Aufstandsversuche von links und rechts die Republik an den Abgrund brachten, eine neue Anstellung. Fast zwanzig Jahre lang, bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo im Herbst 1942, arbeitete Otto Hampel in dem Betrieb.
Am 23. Januar 1937 heiratete er die 33-jährige Elise Lemme aus Bismark bei Stendal. Die Ehe sollte kinderlos bleiben. Auch Elise Lemme besuchte nur wenige Jahre die Volksschule. Danach arbeitete sie als Hausmädchen und Näherin. Die frisch Vermählten bezogen eine Wohnung in der Amsterdamer Straße 10. Die Hampels waren unauffällige Mitläufer des Regimes: Otto war Mitglied in der Deutschen Arbeitsfront, der nationalsozialistischen Einheitsgewerkschaft; Elise in der NS-Frauenschaft. Der Tod ihres jüngeren Bruders Kurt, der Anfang Juni 1940 als Wehrmachtssoldat im Feldzug gegen Frankreich fiel, wurde für die Hampels zum Schlüsselerlebnis. "Durch den Tod meines Schwagers, der 1940 in Frankreich fiel, vollzog sich bei mir eine Wandlung. Ich stellte mich darauf negativ zum Staate ein", gab Otto Hampel bei der Vernehmung durch die Gestapo am 20.Oktober 1942 zu Protokoll. Um den Entschluss zum Widerstand glaubhafter zu machen, ist es bei Fallada der Tod des einzigen Sohnes, der für die Eheleute zum Erweckungserlebnis wird.
Die Eheleute Hampel - in Falladas Roman tragen sie die Namen Otto und Anna Quangel - verteilten ab dem Spätsommer 1940 handgeschriebene Postkarten und Flugzettel in Hauseingängen und Treppenhäusern. Die Blockschrift war ungelenk, Syntax, Grammatik und Orthografie fehlerhaft, aber die Botschaft deutlich: "Deutsche passt auf! Lasst Euch nicht Dicktatorisch unter kriegen was sind wir noch! dass stumme Vieh! Gegen diese Fesseln müssen wir uns wehren sonst ist es zu spät! ist es jetzt noch ein ehrlicher Krieg! Nein eine brutale Vernichtung wird von unserer Regierung geführt, wir werden es genau so verspüren wie alle anderen Staaten ... Nieder mit dem Vernichtungs Sistem! Verachtet jede Straßensammlung! Ein deutscher. Weiter geben!"
Dem Aufruf, die Botschaften weiterzugeben, folgten nur wenige "Volksgenossen". Die meisten Karten wurden bei der Polizei abgegeben. Die Gestapo begann umgehend mit ihren Ermittlungen. Sie wurden vom Kriminalsekretär Willy Püschel geleitet, der im Referat IV A 1 "Kriegsdelikte" und "Feindpropaganda" bekämpfte. Püschel, 1920 bei Pirna geboren, war ein erfahrener Kriminalist. Seine Polizeikarriere begann 1924 bei der Schutzpolizei in Sachsen. Zehn Jahre später wechselte er zur Kriminalpolizei. Nach Kriegsbeginn wurde er zur Berliner Gestapo versetzt, die ihren Sitz in der Burgstraße 28 hinter dem Hackeschen Markt hatte. Anhand der Fundorte erstellte Püschel ein Bewegungsprofil des Verteilers; aus dem Inhalt schloss er auf die soziale Herkunft des Schreibers. Die meisten Karten und Flugzettel verteilten die Hampels im Wedding. Allein in der Müllerstraße, schon damals eine belebte Einkaufs- und Verkehrsstraße, stellte die Polizei mehr als 40 Karten sicher. Aber auch in Moabit, rund um die Schönhauser Allee und am Schlesischen Tor verbreiteten die Hampels ihre Aufrufe, die immer deutlicher wurden: "Freie Presse! Die Hitlerei bedeutet in der Welt gewalt geht vor Recht! Bleibt für die Ewigkeit ungerecht, Und bringt dem Volke nie einen Frieden! Vertraue auf Dich, nicht der eingeschlichenen Hitler Bande!"
Jede neue Karte, die auf Püschels Schreibtisch landete, schärfte dessen Täterprofil. Er vermutete, dass Verfasser und Verteiler der Karten und Flugzettel identisch waren. Einen Ausländer als Urheber schloss er aufgrund des Berliner Idioms aus. Der Kriminalsekretär glaubte, dass es sich bei dem Schreiber um einen ledigen Mann oder Witwer aus der Gegend um die Schönhauser Allee handelte, ein Pensionär oder Arbeiter im Schichtdienst. Mit diesen Annahmen lag Püschel jedoch falsch.
Aufgrund einer Denunziation konnte er die Hampels schließlich überführen. Am 27. September 1942, beobachtete die 64-jährige Gertrud Waschke, wie in ihrem Hausflur in der Eisenacher Straße 122 in Schöneberg ein unbekanntes Ehepaar eine Postkarte ablegte. Die Witwe brachte den Fall zur Anzeige auf dem nächsten Polizeirevier, wo ein Wachtmeister die Personalien von Otto und Elise Hampel aufnahm. Einen Monat später, am 27. Oktober, verhaftete Kriminalsekretär Püschel Otto Hampel an seinem Arbeitsplatz. Bei der anschließenden Hausdurchsuchung in der Amsterdamer Straße 10 wurde auch Elise Hampel festgenommen. Bereits bei den ersten Vernehmungen gestanden sie ihre Taten. "Mein Ehemann ist nicht mehr schuldig als ich, es war unser gemeinsames Werk", gab Elise Hampel zu Protokoll.
Otto Hampel versuchte, seine Frau zu schützen, indem er die Schuld auf sich nahm: "Ich gebe zu, der Hersteller und Verbreiter der Hetzkarten 'Freie Presse' zu sein. Im Voraus erkläre ich, dass ich allein für diese Handlungen verantwortlich bin und niemanden hinzugezogen habe." Bereits eine Woche später schloss Kriminalsekretär Püschel seinen Bericht ab: "Durch die Festnahme der Eheleute Hampel ist zwei üblen Staatsgegnern das Handwerk gelegt worden. In einem Zeitraum von 2 Jahren wurden hier über 200 von ihnen verbreitete Hetzschriften erfasst ... Die Tendenz aller Hetzschriften beweist ganz eindeutig, dass die Eheleute Hampel durch die Verbreitung das Volk gegen Führer und Staat aufwiegeln wollten. Sie glaubten, auf diese Weise den von ihnen herbeigewünschten Sturz des nationalsozialistischen Regimes begünstigen zu können." Die Motive der Hampels blieben dem Kriminalisten unbegreiflich: "Das Verhalten der Eheleute Hampel ist unverständlich, da sie in geordneten Verhältnissen leben und der Ehemann Hampel ein gutes Einkommen hat."
Am 8. Dezember 1942 erhob der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof Anklage. Am 22. Januar, wenige Tage vor der Kapitulation der eingeschlossenen 6. Armee in Stalingrad, begann die Verhandlung vor dem Volksgerichtshof in der Bellevuestraße 15. Sie dauerte keine dreieinhalb Stunden. Als Zeugen waren Gertrude Waschke und Kriminalsekretär Püschel geladen. Der 2. Senat unter Vorsitz des Volksgerichtsrats Dr. Löhrmann verurteilte Otto und Elise Hampel "wegen Zersetzung der Wehrkraft in Verbindung mit Vorbereitung zum Hochverrat und landesverräterischer Feindbegünstigung" zum Tode.
In den folgenden Wochen stellten sowohl die Hampels als auch ihre Angehörigen mehrere Gnadengesuche. Die Solidarität der Eheleute zerbrach im Angesicht des Fallbeils. In Schreiben an den Oberreichsanwalt beschuldigen sich Otto und Elise wechselseitig, durch den jeweils anderen zu den Taten angestiftet worden zu sein. Die Gestapo lehnte ebenso wie der Reichsminister der Justiz, Otto Thierack, sämtliche Gnadengesuche ab. Am 29. März verlangte er vom Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof, "mit größter Beschleunigung das Weitere zu veranlassen". Am 8. April 1943 wurden Otto und Elise Hampel in Plötzensee durch das Fallbeil hingerichtet. "Von der Vorführung bis zur Vollzugsmeldung" dauert die Hinrichtung von Otto Hampel 14 und von Elise Hampel 16 Sekunden, wie der Oberreichsanwalt vermerkte. Ihre Leichen wurden nicht zur Bestattung freigegeben, sondern dem Anatomischen Institut der Charité überlassen. Ein halbes Jahr nach der Hinrichtung zerstörte eine alliierte Fliegerbombe das Haus in der Amsterdamer Straße 10.
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Quelle: Nordkurier | Susanne Schulz | 09.06.2011
Neuer Auftrieb für stille Helden
Friedland/Berlin Der Paukenschläge ist kein Ende in diesem Jahr, was Publikationen rund um Hans Fallada angeht. Kaum erregt der Aufbau Verlag Aufsehen mit der erstmals ungekürzten Fassung von Falladas letztem Roman "Jeder stirbt für sich allein" (wir berichteten), legt der Steffen Verlag nicht weniger nach als "Die wahre Geschichte" zu diesem 1947 entstandenen Buch über das zunächst hitlertreue Berliner Ehepaar Hampel (im Roman Quangel), das nach dem Tod des Sohnes mit hauptstadtweit verteilten Postkarten gegen die Kriegstreiber protestierte und deswegen 1943 hingerichtet wurde.
Noch bedeutsamer als das Verdienst des Buches, auf Grundlage der Gestapo-Akten den authentischen Hintergrund zu durchleuchten, ist die Tatsache, dass dies keineswegs erst jetzt geschah: Das Buch ist eine Neuausgabe von Manfred Kuhnkes 2001 erschienener Publikation "Die Hampels und die Quangels". Die Studie stammt also aus einer Zeit, als von einer internationalen Fallada-Renaissance noch keine Rede war. Und der Autor ist zu Recht stolz, dass sein Werk so gut wie keiner Überarbeitung bedurfte. Lediglich "ein paar kleine Akzente" habe er verändert, sagt der Berliner, der von 1995 bis 2004 das Hans-Fallada-Museum in Carwitz leitete und entscheidend mitgestaltete.
Für Leben und Werk von Hans Fallada interessierte sich der Germanist schon viel länger. Eine erste Publikation zu "Jeder stirbt für sich allein" erschien 1993/94 in der "federlese"-Reihe des Neubrandenburger Literaturzentrums. Darauf angesprochen wurde Kuhnke wenige Jahre später, schon als Museumsleiter, von Besuchern, die sich als Verwandte der Hampels erwiesen. Genauer: als Nichten von Elise Hampel, die in den 40er-Jahren noch Kinder waren. Aus dieser Begegnung erwuchs eine herzliche Beziehung zu den Lübeckerinnen, die dem Autor viel Material zugänglich machten und private Fotos zur Verfügung stellten. Daraus wurde dann 2001 die Veröffentlichung "Die Hampels und die Quangels" im federchen-Verlag. In der Fallada-Szene sei der Band durchaus gewürdigt worden, blieb ansonsten aber in Deutschland von der breiten Leserschaft relativ wenig beachtet, resümiert Kuhnke, der allerdings dennoch zu Vorträgen bis nach Bulgarien, Spanien und Finnland eingeladen wurde.
Wie die internationale Aufmerksamkeit für Hans Fallada wuchs, hat Steffen-Verlagsleiter Jörn Runge unter anderem vor anderthalb Jahren während einer England-Reise erlebt: "Alone in Berlin" stand dort auf den Bestsellerlisten - ein Titel, der ihm erst mal nichts sagte, bis er erfuhr, dass "Jeder stirbt für sich allein" sich dort mit dem Namen der Hauptstadt einfach besser verkaufe. Schon seit damals habe der Verlag - dem sich federchen unterdessen als Fusionspartner angeschlossen hatte - an eine Neuausgabe von Kuhnkes Buch gedacht. Dass Aufbau dann, ebenfalls als Reaktion auf den internationalen Erfolg besonders in den englischsprachigen Ländern, das Fallada-Original ausgrub, gab den letzten Ausschlag. Im Berliner Kulturkaufhaus Dussmann liege "Die wahre Geschichte"gleich neben dem Roman, freut sich Runge; im Hause Steffen könne man durchaus stolz sein, das "Buch zum Buch" veröffentlicht zu haben.
Manfred Kuhnke sieht sich bestätigt in seinem Anliegen, die "stillen Helden" der Nazi-Zeit zu ehren. Natürlich wünscht er seinem Buch, dass es ebenfalls außerhalb Deutschlands eine gewisse Aufmerksamkeit erregen möge. In seiner Vorstellung "fliegt da ein großer Ballon um die Welt, das ist Falladas Roman, und unten dran hängt ein kleines Päckchen, auf dem mein Name steht ..."
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Quelle: Juristische Wochenschrift | 11.2012 | Rechtsanwalt Professor Dr. Hermann Weber
Falladas letzter Roman
"Habent sua fata libelli" -Hans Falladas letzter, kurz vor seinem frühen Tod am 05.02.1947 in wenigen Wochen im Herbst 1946 niedergeschriebener, noch im Jahre 1947 posthum gedruckter, hierzulande lange Zeit nahezu vergessener Roman über den kleinen Widerstand eines Berliner Arbeiterehepaars gegen den Nationalsozialismus in der Zeit des Zweiten Weltkriegs ist auf dem Umweg über den internationalen Erfolg der englischen Übersetzung (Every Man Dies Alone, New York, 2009) nach Deutschland zurückgekehrt und auch hier in der 2011 erschienenen Neuausgabe zu einem der literarischen Bestseller des Jahres geworden. Dem Roman liegt eine -noch heute im Bundesarchiv erhaltene -Strafakte über ein Verfahren gegen die Eheleute Otto und Elise Hampel aus dem Berliner Wedding zu Grunde, die im Jahre 1943 zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, weil die beiden alten Leute nach dem Soldatentod des Sohnes auf eigene Faust den Widerstand gegen die Diktatur begonnen und anonyme Postkarten mit antinazistischen Parolen in Berliner Briefkästen verteilt hatten. Die Akte hatte Fallada 1946 von  Johannes R. Becher, dem späteren Minister für Kultur der DDR, erhalten. Beide -Becher und Fallada -waren Söhne hoher Richter der wilhelminischen Zeit: Falladas Vater Wilhelm Ditzen hatte es bis zum Reichsgerichtsrat in Leipzig, Bechers Vater Heinrich Becher zum Rat am -heute wie das RG Geschichte gewordenen -BayObLG in München gebracht. Die Söhne waren im Konflikt mit den Vätern und deren Welt herangewachsen (vgl. dazu im Einzelnen H. Weber, Juristensöhne als Dichter. Hans Fallada, Johannes R. Becher und Georg Heym. Der Konflikt mit der Welt ihrer Väter in ihrem Leben und ihrem Werk, 2009; speziell zu Heinrich Becher noch H. Weber, NJW 2008, 722), hatten aber (auch durch eigene Erfahrungen in Strafprozessen) ausreichend Bezug zum Beruf ihrer Väter, um Inhalt und Lücken einer solchen Strafakte zutreffend einordnen und werten zu können. Becher bemühte sich in der damaligen Zeit als Vorsitzender des "Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" und Gründer des Aufbau-Verlags in Berlin um die Gewinnung nicht nur dem Kommunismus nahe stehender, sondern auch bürgerlich-antifaschistischer Schriftsteller für die Entwicklung eines vom Nationalsozialismus befreiten Kulturlebens. Von Fallada erwartete Becher den "großen antifaschistischen Roman"-eine Erwartung, der Fallada mit "Jeder stirbt für sich allein" aus heutiger Sicht sicher Rechnung getragen hat. Fallada verlegt die Handlung aus dem Wedding in den Prenzlauer Berg und lässt seine beiden Hauptfiguren (die bei ihm Otto und Anna Quangel heißen) entgegen der historischen Wahrheit -die Eheleute Hampel waren nach ihrer Verurteilung moralisch zusammengebrochen und hatten jeweils für sich Gnadengesuche an den Oberreichsanwalt gerichtet, in denen die Ehepartner sich gegenseitig beschuldigten, verdächtigten und sich jeweils selbst reinzuwaschen versuchten -bis zum Schluss standhaft bleiben. Der Neuausgabe des Romans liegt erstmals das Originaltyposkript Falladas zu Grunde, das sich im Archiv des Aufbau-Verlags erhalten hat. Glättungen und Retuschen, die der damalige Aufbau-Lektor Paul Wiegler für den Druck der Erstausgabe vorgenommen hat, sind rückgängig gemacht. Neben Streichungen vulgärer Ausdrücke und besonders rassistischer Schilderungen hatte Wiegler -wie Almut Giesecke in ihrem Nachwort im Einzelnen nachweist -vor allem alle Hinweise auf frühere Sympathien der Protagonisten des _Romans für den Nationalsozialismus (und damit zugleich auf ihre Wandlung von Mitläufern zu Gegnern des Systems) getilgt und damit die Absichten des Autors konterkariert, der die Quangels "sehr bewusst gerade nicht als unbelastete Menschen", sondern "als Mitläufer" hatte darstellen wollen, die sich aus dieser Haltung befreien" '(Giesecke, Nachwort, S. 696). Verändert wurde durch die Retuschen Wieglers auch das Bild des gütigen Kammergerichtsrats a.D. Fromm aus dem Haus im Prenzlauer Berg, in dem das Ehepaar Quangel seine Wohnung hat. Fromm nimmt Frau Rosenthal, eine Jüdin, die früher mit ihrem Mann ein Wäschegeschäft in der Prenzlauer Allee betrieben hat in seine Wohnung auf, um sie vor Verfolgung zu schützen. Getilgt hat Wiegler die Hinweise auf die Vergangenheit Fromms als "blutiger Fromm und "Scharfrichter Fromm" wohl um -so wiederum Giesecke- die "Sympathien für eine; antifaschistischen Richter nicht zu verringern" (Nachwort, S. 697). Relativiert wird dadurch freilich auch die Deutung dieser Passagen als späte Versöhnung Falladas mit seinem Vater der der Gestalt Fromms in manchen Zügen unverkennbar Modell gestanden hat (H. Weber, Juristensöhne, S. 99 f.). Der Erfolg des Romans hat Anlass für eine nahezu unveränderte (nur um das Hochzeitsbild des Ehepaars Hampel, S. 152, ergänzte) Neuausgabe der erstmals 2001 vorgelegten kleinen Monografie "Die Hampels und die Quangels von Manfred Kuhnke geboten, die "Authentisches und Erfundenes in Hans Falladas letztem Roman" (so der Untertitel der Erstausgabe) einander gegenüberstellt. Von besonderem Interesse ist die gut belegte Vermutung Kuhnkes, nach der Fallada von Becher seinerzeit nur ein unvollständiges Exemplar der Strafakte Hampel (ohne die Gnadenakte) erhalten hat und sich daraus die vorn tatsächlichen Verhalten der Hampels abweichende Standhaftigkeit der Quangels des Romans bis zum bitteren Ende erklärt.